Ihr Hund ist müde und traurig?
Was dahinterstecken kann und wie Sie reagieren können, wenn Ihr Hund traurig wirkt
Ihr Hund ist plötzlich wie verändert? Er wirkt müde und traurig, ohne dass Sie es sich erklären können? Dafür kommen eine ganze Reihe von möglichen Ursachen in Frage. Wann Hunde Anzeichen von Trauer zeigen und was Hundehalter tun können, erklärt Hundetrainer Bernd Baron im Interview.
Ein Interview mit Bernd Baron – ein Hundetrainer, der für faires Hundetraining wirbt
Bernd Baron ist zertifizierter Hundetrainer, der seit über 20 Jahren Hunde trainiert und sich gewaltfreie Trainingsmethoden auf die Fahne geschrieben hat. Trainieren statt dominieren – diesem Leitsatz haben sich Bernd Baron und weitere Hundetrainer verpflichtet. Bernd Baron versteht sich in seinen Trainings auch als „Anwalt des Hundes“ und versucht Haltern die Perspektive des Hundes näherzubringen. Durch seinen eigenen Hund hat sich die Leidenschaft zum Hundetrainer entwickelt. In über 430 Schulklassen konnte er mit seinem Rüden Buddy den Kindern die „Angst vorm großen Hund“ nehmen. Als selbstständiger Trainer hilft er Hundehaltern außerdem in Einzeltrainings.
Herr Baron, kennen Hunde überhaupt Emotionen wie Trauer?
Ja, die Emotionen sind bei Säugetieren grundsätzlich identisch mit denen von uns Menschen. Säugetiere kennen die fünf Grundemotionen Angst, Wut, Trauer, Freude und Frustration. Jedes Lebewesen empfindet natürlich unterschiedlich, aber wir empfinden alle einmal Freude, Trauer oder Wut. Auch ein Hund kann sehr wohl traurig sein, die Gründe dafür sind vielfältig.
Es gibt einige äußerliche Anzeichen, die auf innere Emotionen wie Trauer hinweisen können:
- Eine gewisse Lustlosigkeit und Inaktivität gehört sicherlich oft dazu, wenn ein Hund traurig ist. Die gesamte Aktivität lässt dann deutlich nach.
- Manche Hunde liegen bei Trauer nur noch apathisch auf dem Sofa. Vielleicht wollen sie gar nicht mehr rausgehen.
- Einige Hunde jaulen laut bei Trauer.
- Andere fressen nicht mehr.
- Durchfall ist auch ein typisches Symptom bei starker Trauer.
- Manche Hunde sind auch plötzlich nachts unruhig und laufen umher (zum Beispiel nach dem Tod eines anderen Hundes).
- Andere Hunde wollen nicht in der Wohnung bleiben und ständig nach draußen gehen.
Es kommt immer auf den Einzelfall an, wie sich die Trauer äußert. Nach drei, vier Tagen geben sich die physischen Merkmale oft wieder und der Hund verarbeitet seine Trauer.
Der berühmte Dackelblick ist ja sprichwörtlich – sehen manche Hunde nicht einfach immer traurig aus? Sogar, wenn sie es gar nicht sind?
Das stimmt natürlich. Manche Hunderassen haben eine Zeichnung und ein Gesicht, die vielleicht traurig wirken. Deswegen sollte man immer die übrigen körpersprachlichen Signale des Hundes beachten. Nicht nur der Blick in die Augen sagt etwas aus, auch wenn dieser manchmal sehr vielsagend ist. Aber da können wir Menschen tatsächlich auch etwas hineininterpretieren.
Hundehalter sollten sich den ganzen Körper angucken: Wie sieht die Körpersprache aus? Das gibt dann die entscheidenden Hinweise, ob der Hund traurig ist.
Die Hundesprache zu verstehen, ist an der Stelle sehr wichtig. Und auch die Aktivität des Hundes gibt Aufschluss. Zur Trauer gehört oft auch eine gewisse Lustlosigkeit. Ist man traurig, dann strotzt man nicht vor Energie und Lebenslust – das ist bei uns Menschen ja ganz ähnlich. Eher lässt die gesamte Aktivität nach. Das Gesicht alleine zeigt also nicht an, ob der Hund traurig ist.
Grundsätzlich kann die Ursache für ein Verhalten entweder psychisch (seelisch) oder physisch (körperlich) sein. Was genau die Traurigkeit auslöst, muss der Hundehalter deshalb herausfinden. Eine Person, die ihren Hund schon mehrere Jahre hat, kommt wahrscheinlich schneller darauf, was die Traurigkeit ausgelöst hat.
Trauer kann ganz unterschiedliche Ursachen haben:
- Der Tod eines nahestehenden Menschen im selben Haushalt oder eines anderen Hundes löst in der Regel große Trauer beim Hund aus.
- Trifft ein nicht kastrierter Rüde auf eine läufige Hündin und darf sie nicht decken, kann dies ebenfalls zu Frustration und Trauer führen. Nicht immer bemerkt der Hundehalter diese Begegnung. Daher sind Hundehalter oft ratlos, wenn sie feststellen, dass ihr Hund sich traurig verhält. Manche Rüden reagieren aggressiv, aber viele Hunde sind dann auch traurig.
- Häufiges oder langes Alleinsein oder Vernachlässigung kann ebenfalls dazu führen, dass der Hund immer trauriger wird.
- Eine Schilddrüsenunterfunktion gehört zu den Krankheiten, bei denen der Hund ebenfalls so aussieht, als sei er traurig und müde. Man kann dann oftmals den Hinweis „trauriger Blick“ lesen. Die Krankheit zeigt sich aber meist auch an weiteren Symptomen wie einem stumpfen Fell, schlecht heilenden Wunden und Lethargie. Das sollte dann auf jeden Fall ein Tierarzt abklären und ein sogenanntes Schilddrüsenprofil erstellen. Bestätigt sich der Verdacht, bekommt der Hund in der Regel ein Medikament, das er sein Leben lang nehmen muss. Die Symptome bessern sich daraufhin meist schnell.
- Zu große Hitze im Sommer führt oft dazu, dass ein Hund sich antriebslos und müde fühlt. Besonders bei Hunden ohne Unterwolle wie Dalmatinern, Boxern, Pudeln oder Dackeln kommt es schnell zu einem Unwohlsein durch die Hitze. Auch das Wärmeempfinden ist bei jedem Hund individuell.
- Hat ein Hund Schmerzen, kann es auch sein, dass er einen traurigen und erschöpften Eindruck macht.
- Zu viel Druck bei der Erziehung kann beispielsweise dazu führen, dass Hunde sich zurückziehen – das ist mittlerweile wissenschaftlich bewiesen. Sie haben dann einfach keine Motivation mehr, weil sie etwa wissen, dass der Spaziergang immer in Stress ausartet. Hier kann es helfen, den Hund einfach einmal selbst entscheiden zu lassen, wohin er laufen will. Er muss dann auf dem Spaziergang nicht tausend Übungen bewältigen, sondern darf sich einfach bewegen.
Auch Hunde können Depressionen entwickeln
Nicht jede vorübergehende Traurigkeit ist gleich eine Depression. Doch auch Hunde können Depressionen entwickeln. Dies passiert besonders häufig bei einer sogenannten „erlernten Hilflosigkeit“. Der Hund ist dann überzeugt, keine Kontrolle über bestimmte, für ihn zentrale Lebenssituationen zu haben. Diese Überzeugung entsteht durch andauernde negative Erfahrungen. Schließlich wird der Hund mehr und mehr inaktiv.
Antidepressiva können auch beim Hund bei einer Depression helfen. Die Medikamente unterstützen das Gehirn dabei, wieder in seinen gesunden Lernmodus zu kommen.
Um Ihrem Hund zu helfen, wenn er traurig und müde ist, sollten Sie zunächst abklären, ob die Traurigkeit physische Ursachen haben könnte. Können Sie dies ausschließen, überlegen Sie, ob es ein Ereignis gab, das die Trauer ausgelöst hat.
Versuchen Sie den Hund mit Snacks und Spielen aufzumuntern. Ein Kausnack kann ebenso helfen, denn Kauen beruhigt die meisten Hunde. Während des Kauens verarbeitet der Hund seine Erlebnisse und Emotionen.
Ganz wichtig: Überdenken Sie auch Ihr eigenes Verhalten gegenüber dem Hund. Haben Sie den Hund in letzter Zeit zu sehr an der sprichwörtlichen „kurzen Leine“ geführt? Dann lassen Sie den Hund beim nächsten Spaziergang einfach einmal selbst den Weg bestimmen. Es stärkt das Selbstbewusstsein, eigene Entscheidungen zu treffen – das gilt auch bei Hunden!